– Präambel –
Das Wort klingt doch gut, oder? Also, ich meine, dass mein folgender Beitrag diesen Touch eines intellektuelle Einstiegs schon deshalb benötigt, um mir Gehör bei den wichtigen Entscheidern und Machern unserer über alle Branchen hinweg so erfolgreichen Wirtschaft zu verschaffen. Da kann man nicht so direkt zur Sache kommen, nein, es muss schon ein bisschen Prosa und Pathos mitschwingen, wenn man Aufmerksamkeit bei seinen potentiellen Kunden erlangen möchte. Da bedarf es durchaus flankierender Effekte wie Blitz und Donner, gerne auch akustisch, idealerweise im Stile von Hans Zimmer, „unserem“ mehrfach Oscar-gekrönten Filmkomponisten, bei dessen Klängen Gladiatoren, King Arthur, die letzten Mohikaner und Braveheart dann doch starben und der deutlich machte, wie treffsicher Musik faszinieren und berühren können.
Sind Sie jetzt bei mir? Habe ich Ihre ganze Aufmerksamkeit? Das ist mir sehr wichtig, denn das, was ich loswerden möchte, betrifft nicht nur mich persönlich, sondern eine ganze Branche einschließlich deren Peripherie.
Ich möchte Sie abholen, indem ich Ihnen eine ganz einfache Aufgabe gebe. Um mein Anliegen zu verstehen, stellen Sie sich bitte folgendes vor: Sie persönlich müssen ein neues Produkt – zum Beispiel eine Pizza-Lieferdrohne – im deutschen Markt einführen. Viel mehr wissen Sie nicht. Das „Briefing“ ist (wie so oft) sehr vage, das Budget noch nicht bekannt („warten wir doch erst mal Ihre Ideen ab!“), und die Marktzahlen lassen vermuten, dass bei deren Erhebung nicht so wirklich in die Tiefe gegangen wurde.
Leichte Aufgabe, könnte man jetzt sagen. Da setzen wir uns mal „ein paar Stündchen“ (Verniedlichungsform zum Kleinreden des Aufwands) hin, und dann haben wir genügend Ideen, um darauf aufbauend eine 360°-Kampagne zu machen. An dieser Stelle möchte ich Sie zur Seite nehmen und Ihnen eine „schnelle“ Zusatzaufgabe geben, die Zeit drängt nämlich! „Finden Sie einen Namen für diese Pizza-Lieferdrohne und formulieren Sie ein paar passende Botschaften dazu. Nur kurz! Aber natürlich pfiffig! Peppig! Etwa so wie „Früher kamen Kuriere auf dem Schimmel, heute kommen sie vom Himmel“ … oder … ähm … „Egal wo ich wohne, meine Pizza kommt per Drohne…“
Ist doch leicht – oder? Wie, Ihnen fällt dazu auf die Schnelle nichts ein? Ist das Ihr Ernst? Also wenn ich mir so meinen normalen Agenturalltag und die damit verbundenen Aufgaben vor Augen halte, bin ich jetzt aber echt irritiert. Da höre ich mehr denn je „machen Sie sich doch mal schnell ein paar Gedanken dazu, nichts Großes – Sie wissen schon, einfach mal so ein Querschnitt, um zu sehen, wohin es gehen könnte … und produzieren Sie bloß keine unnötigen Kosten!“
Spätestens jetzt, wenn Sie Ihren Versuch des Textens vollkommen entnervt abgebrochen haben, müssten Sie erneut in sich gehen und Ihre Vorstellung über Werbeagenturen und deren Arbeit überdenken – vorausgesetzt natürlich, Sie hatten bis dahin überhaupt eine.
Und schlagartig verspüre ich jetzt beim Schreiben dieser Zeilen wieder diese aufsteigende Unruhe, dieses Erhöhen meines Pulsschlags – und eine damit verbundene wachsende Verärgerung. Verärgerung über die allem Anschein nach komplett fehlende Vorstellung darüber, wie wir es immer wieder schaffen, auf ein leeres Blatt Papier sinnvolle, gut klingende/aussehende, wirkungsvolle, kluge, treffende, lustige, nachdenkliche, provokante und ehrliche Botschaften zu schreiben, zu gestalten und in den verschiedensten Formen umzusetzen.
Müssen wir vor diesem Hintergrund ernsthaft um- und darüber nachdenken, ob ein erfolgreiches Agenturmodell analog „Flyer Alarm“ funktionieren könnte: mit einer an Schlagworten festgemachten Preisliste, idealerweise noch bebildert wie die wunderbaren bunten Eiskarten der Land auf, Land ab präsenten Cafés, Bars und Gelaterias? EIN Problem von vielen ist, dass mir so spontan kein Bild für den Menüpunkt „Markenprozess“ einfällt. Ebensowenig wie ein dazu passender Discountpreis – gemäß dem Motto „Markenentwicklung – heute im Angebot!“.
Wenn ich mir dieses Szenario vor Augen halte, ziehe ich umgehend die mentale Reißleine und werfe ein lautes NEIN in die fiktive Runde! Es ist schlichtweg nicht möglich – auch nicht beim allerbesten Willen –, kreative Prozesse zu pauschalieren und dadurch den Eindruck zu erwecken, dass man in vorgegebenen Zeitfenstern ein optimales Ergebnis liefern kann.
Die schlechtesten Ideen sind die, die einem sofort einfallen. Sie sind immer Mittelmaß, weil sie bei etwas Nachdenken JEDEM einfallen könnten – auch Ihnen selbst, dem Auftraggeber. Von einer Agentur dürfen Sie mehr erwarten. Vorausgesetzt, Sie lassen sie ihre Arbeit machen.
Vielleicht hatten oder haben Sie das Glück, eine gute Marketing- oder Werbeleitung in Ihrem Unternehmen zu haben. Eine, die tatsächlich briefen kann. Eine, die Agenturarbeit wertschätzt. Eine, die den Entstehungsprozess einer Werbemaßnahme oder Kampagne nachvollziehen kann. Wenn dem so ist, brauchen wir nicht weiter über Discount-Modelle nachzudenken. Wir alle müssen nur anerkennen, dass Kreativität nicht vom Himmel fällt, nicht von der Stange oder vom Fließband zu bekommen ist, sondern harte, aufwändige, aufreibende Arbeit ist. Und die kostet neben dem Faktor Zeit eben auch Geld. Geld, das jedoch hervorragend angelegt ist, wenn Auftraggeber und Agentur sich als Partner begreifen und dementsprechend zusammenarbeiten.
Wenn dem so ist, wird sich Ihre Agentur in der Zusammenarbeit wohl fühlen, sich als gleichwertiger Kollege in Ihrem Team betrachten – und hochmotiviert beste Ergebnisse produzieren.
Wenn dem aber nicht so ist, sollten Sie noch einmal in sich gehen und darüber nachdenken, wie schnell sie diesen für beide Parteien – Unternehmen und Agentur – unbefriedigenden Zustand ändern können.
Am besten, Sie fangen damit an, dass wir uns auf eine Tasse Kaffee verabreden …